Wiederkehrende Straßenausbaubeiträge (+FAQ)
Die Gemeinden sind gesetzlich verpflichtet, Beiträge für den Ausbau von Straßen nach dem Kommunalabgabengesetz Rheinland-Pfalz (KAG) und ihrer Satzung zu erheben.
Die Kommunen haben daher keine Wahl, ob sie Beiträge erheben oder nicht.
Bisher wurden von der Stadt Bingen am Rhein Ausbaubeiträge in Form von Einmalbeiträgen erhoben, d.h. nur die Grundstückseigentümer an der konkret ausgebauten Straße wurden zu Beiträgen herangezogen.
Aufgrund einer Änderung des KAG Rheinland-Pfalz vom 05.05.2020 sind nun alle Gemeinden und Städte in Rheinland-Pfalz verpflichtet spätestens zum 01.01.2024 nur noch wiederkehrende Straßenausbaubeiträge statt Einmalbeiträge zu erheben. Mit dieser Gesetzesänderung wurde den Kommunen die bisherige Wahlmöglichkeit bei der Beitragserhebung genommen.
Der Stadtrat hat in seiner Sitzung am 15.11.2022 die Satzung zur Erhebung von wiederkehrenden Beiträgen für den Ausbau von Verkehrsanlagen beschlossen (nachfolgend WKB-Satzung genannt). Die Satzung tritt zum 01.01.2023 in Kraft.
Anders als beim Einmalbeitrag werden damit die Kosten für den Ausbau einer Verkehrsanlage jetzt auf alle Grundstückseigentümer der entsprechenden Abrechnungseinheit umgelegt.
Im Zusammenhang mit der Erhebung von wiederkehrenden Straßenausbaubeiträgen für den Ausbau von öffentlichen Verkehrsanlagen stellen sich viele Fragen.
Wir haben die wichtigsten Fragen und Antworten nachfolgend für Sie zusammengestellt.
Die entsprechende Satzung finden Sie hier:
Die wesentlichen Unterschiede haben wir Ihnen nachfolgend kurz dargestellt:
Einmalbeitrag |
Wiederkehrender Straßenausbaubeitrag |
Beitrag wird für den Ausbau einer einzelnen öffentlichen Straße (Verkehrsanlage) erhoben. |
Beitrag wird für sämtliche Ausbau-maßnahmen innerhalb des gesamten Straßennetzes einer Abrechnungseinheit erhoben. |
Beitrag ist nur von den Anliegern der einzelnen ausgebauten Verkehrsanlage zu zahlen. |
Beitrag ist von sämtlichen Anliegern des gesamten Straßennetzes einer Abrech-nungseinheit zu zahlen. |
Einmalig hohe Beitragsbelastung. |
Vergleichsweise geringe wiederkehrende Beitragsbelastung. |
Beitrag ist nur in großen Zeitabständen (meist 20 Jahre und länger) zu zahlen. |
Beitrag ist immer dann zu zahlen, wenn eine öffentliche Verkehrsanlage innerhalb der Abrechnungseinheit ausgebaut wird. Dies kann gegebenenfalls jährlich oder auch seltener sein. |
Anlieger an klassifizierten Straßen (Kreis-, Landes- oder Bundesstraßen) zahlen nur für Nebenanlagen (z.B. Gehwege). |
Keine Unterscheidung zwischen Anliegern an klassifizierten Straßen oder städtischen Straßen. |
Abrechnungseinheiten können das gesamte Gemeindegebiet oder aber Teile davon sein. Die Abrechnungseinheiten entstehen durch das Zusammenfassen mehrerer Verkehrsanlagen, die in einem abgrenzbaren und räumlich zusammenhängenden Gebiet liegen.
Beim wiederkehrenden Straßenausbaubeitrag „verschmelzen“ alle Verkehrsanlagen innerhalb einer Abrechnungseinheit zu einer einzigen Verkehrsanlage, sodass alle Grundstückseigentümer der Abrechnungseinheit zur Zahlung des Beitrages heran-gezogen werden unabhängig davon, ob in der „eigenen“ Straße Ausbaumaßnahmen durchgeführt werden oder nicht.
Die Stadt Bingen am Rhein hat 10 Abrechnungseinheiten gebildet. Die 8 Stadtteile bilden jeweils eine eigene Abrechnungseinheit, weiterhin bilden der Gewerbepark Bingen-Ost (Gaulsheim) und das Gewerbe- und Industriegebiet „Am Ockenheimer Graben“ (Kempten) je eine eigene Abrechnungseinheit.
Die Begründung zur Bildung der Abrechnungseinheiten und die entsprechenden Lagepläne sind Bestandteil der Satzung.
Der wiederkehrende Straßenausbaubeitrag ist keine zusätzliche Abgabe, sondern stellt lediglich eine andere Form der Kostenverteilung dar, d.h. im Vergleich zum bisherigen Einmalbeitrag sind weiterhin nur Maßnahmen beitragsfähig, die der Erneuerung, der Erweiterung, dem Umbau oder der Verbesserung von öffentlichen zum Anbau bestimmten Verkehrsanlagen (Straßen, Wege, Plätze) dienen.
Reine Unterhaltungsmaßnahmen und Reparaturen sind weiterhin nicht beitragspflichtig und gehen voll zu Lasten der Stadt.
Für die erstmalige Herstellung von öffentlichen Verkehrsanlagen (z.B. in Neubaugebieten) können ebenfalls keine wiederkehrenden Straßenausbaubeiträge erhoben werden. Der hierfür entstehende Aufwand wird nach dem Baugesetzbuch über Erschließungsbeiträge refinanziert.
Der Beitrag wird grundsätzlich jährlich für den in dem entsprechenden Jahr tatsächlich angefallenen Investitionsaufwand ermittelt. Der Beitragsanspruch entsteht jeweils zum 31.12. des abgelaufenen Jahres. Der zu zahlende Beitrag wird dann (frühestens) im Folgejahr durch einen Bescheid angefordert.
Nein! Die Höhe errechnet sich in jedem Jahr neu. Dieses ist zum einen abhängig von den Kosten, die in einem Jahr innerhalb der Abrechnungseinheit anfallen und andererseits von den Änderungen an den beitragspflichtigen Grundstücksflächen (z.B. Wegfall von gewerblichen Nutzungszuschlägen).
Der wiederkehrende Straßenausbaubeitrag ist keine neue Steuerart, denn anders als Steuern ist der wiederkehrende Straßenausbaubeitrag immer investitionsbezogen, d.h. er wird nur erhoben, wenn eine öffentliche Verkehrsanlage ausgebaut wird. Sollten in einem Jahr keine Ausbaumaßnahmen in einer Abrechnungseinheit stattfinden, werden auch keine wiederkehrenden Straßenausbaubeiträge erhoben.
Der wiederkehrende Straßenausbaubeitrag ist für die Kommunen nicht als „Spardose“ zu betrachten, in der Ausbaubeiträge für künftige Ausbaumaßnahmen gesammelt werden können.
Zunächst wird ein Beitragssatz pro m² beitragspflichtiger Grundstücksfläche wie folgt ermittelt:
Die beitragsfähigen Kosten der Ausbaumaßnahme innerhalb einer Abrechnungseinheit abzüglich des Stadtanteils (§ 5 WKB-Satzung) ergeben den umlagefähigen Aufwand. Dieser Aufwand wird dann durch die beitragspflichtigen Grundstücksflächen aller Grundstücke einer Abrechnungseinheit geteilt und ergeben den Beitragssatz pro m² beitragspflichtiger Grundstücksfläche. Dieser Beitragssatz wird anschließend mit Ihrer beitragspflichtigen Grundstücksfläche multipliziert.
Grundsätzlich wird die gesamte Grundstücksfläche der Beitragsberechnung zugrunde gelegt. Die Rechtsprechung verlangt bei der Verteilung des beitragsfähigen Ausbauaufwandes einen Maßstab, der die durch das öffentliche Straßennetz der Abrechnungseinheit gebotene Inanspruchnahmemöglichkeit der betreffenden Grundstücke berücksichtigt.
Die Grundstücksfläche allein kann diese Anforderung nicht erfüllen, daher erfolgt eine „Gewichtung“ der jeweils maßgeblichen Grundstücksfläche mit einem Faktor, der die mögliche bauliche Ausnutzung des Grundstückes sowie die Art der möglichen Nutzung (Wohnnutzung/Gewerbe) im Beitragsmaßstab berücksichtigt.
Für diese „Gewichtung“ ist u.a. die Zahl der baurechtlich zulässigen Vollgeschosse (Definition Vollgeschosse § 2 Abs. 4 Satz 2 Landesbauordnung Rheinland-Pfalz), die auf einem Grundstück realisiert werden können, maßgebend. Dementsprechend muss z.B. ein Grundstück, das nach den Festsetzungen eines Bebauungsplanes der Stadt mit einem 4-geschossigen Gebäude bebaubar ist stärker beim wieder-kehrenden Straßenausbaubeitrag belastet werden, als ein Grundstück für das der Bebauungsplan z.B. nur eine 2-geschossige Bebauung zulässt.
Die Tiefenbegrenzung regelt bis zu welcher Tiefe ein Grundstück, das nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes liegt, in beitragsrechtlich relevanter Weise erschlossen ist. Der Grundstücksteil, der hinter der Tiefenbegrenzungslinie liegt, wird bei der Berechnung der beitragspflichtigen Grundstücksfläche nicht mit einbezogen.
Gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 2 WKB-Satzung gilt als beitragspflichtige Grundstücksfläche eines im Innenbereich liegenden Grundstückes die Fläche von der Verkehrsanlage bis zu einer Tiefe von 40 m. Ist für den hinter der Tiefenbegrenzungslinie liegenden Grundstücksteil aufgrund der Umgebungsbebauung eine Hinterbebauung in zweiter Reihe möglich, wird die Fläche bis zu einer Tiefe von 80 m zugrunde gelegt.
Ist das Grundstück über die 40 m- oder 80 m-Linie bebaut, verschiebt sich die Tiefenbegrenzungslinie bis zur hinteren Grenze der tatsächlichen Nutzung.
Gemäß § 6 Abs. 4 der WKB-Satzung wird für Grundstücke, die in einem Kern-, Gewerbe- oder Industriegebiet liegen oder ausschließlich gewerblich, industriell oder in ähnlicher Weise genutzte Grundstücke in sonstigen Baugebieten ein Zuschlag in Höhe von 20 % auf die gewichtete Grundstücksfläche erhoben. Grundstücke in sonstigen Baugebieten, die teilweise gewerblich, industriell oder in ähnlicher Weise genutzt werden erhalten einen Zuschlag von 10 %.
Durch den Artzuschlag soll erreicht werden, dass Grundstücke, die aufgrund ihrer gewerblichen Nutzung einen (deutlich) erhöhten Fußgänger- und Fahrzeugverkehr auslösen, stärker berücksichtigt werden als ausschließlich zu Wohnzwecken genutzte Grundstücke.
Als in diesem Sinne gewerblich oder vergleichbar genutzt gelten zum Beispiel auch Grundstücke, die Büro-, Behandlungs-, Kanzleiräume oder ähnlich genutzte Räume beherbergen.
Nein! Die Stadt trägt, wie beim Einmalbeitrag auch, einen Teil der Kosten, den sogenannten Gemeindeanteil. Der Gemeindeanteil beträgt gemäß § 10a Abs. 3 KAG Rheinland-Pfalz mindestens 20 %. Die Gemeindeanteile der jeweiligen Abrechnungseinheiten ergeben sich aus § 5 WKB-Satzung.
Muss ich bei den wiederkehrenden Straßenausbaubeiträgen wie beim Einmalbeitrag nur für den Ausbau der Nebenanlagen (Gehweg und Beleuchtung) zahlen?
Nein! Dies liegt daran, dass sich der beitragsrelevante Vorteil nicht mehr an der einzelnen Straße orientiert, sondern am gesamten Straßennetz in der Abrechnungseinheit. Dies wurde von der Rechtsprechung mehrfach bestätigt.
Nein! Bei der Beitragsveranlagung werden Wohnungseigentümer entsprechend ihres im Grundbuch festgelegten Miteigentumsanteils am Grundstück zu wiederkehrenden Straßenausbaubeiträgen herangezogen. Dies wird in den Beitragsbescheiden auch ersichtlich sein.
Nein! Die Stadt Bingen am Rhein hat in § 13 der WKB-Satzung eine Verschonungs- bzw. Übergangsregelung für Grundstücke aufgenommen, für die in der jüngeren Vergangenheit Erschließungs- oder Ausbaubeiträge gezahlt wurden.
Nein! Der wiederkehrende Straßenausbaubeitrag kann (wie der Einmalbeitrag auch) gemäß der zur Zeit herrschenden Meinung in Literatur und Rechtsprechung nicht auf die Mieter umgelegt werden.
Die Einführung der wiederkehrenden Straßenausbaubeiträge erfolgt in Bingen am Rhein zum 01.01.2023, d.h. dass in Abrechnungseinheiten in denen 2023 tatsächlich beitragsfähige Ausbaumaßnahmen stattfinden und Kosten entstehen, frühestens in 2024 die ersten Bescheide ergehen.
Da in einigen Abrechnungseinheiten auf absehbare Zeit keine Ausbaumaßnahmen geplant sind, erhalten die Grundstückseigentümer dort auch solange keine Beitragsbescheide.
Wir hoffen, dass wir Ihnen mit diesem Fragenkatalog einen ersten Überblick über die wiederkehrenden Straßenausbaubeiträge geben konnten. Eine Informationsveranstaltung ist für Anfang 2023 vorgesehen. Der Termin wird rechtzeitig bekannt gegeben.
Für Rückfragen steht Ihnen Frau Frank von der Beitragsveranlagungsstelle bei den Stadtwerken Bingen am Rhein gerne zur Verfügung.
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