Warum Hildegard den Rupertsberg für ihr Kloster wählte

Ausschnitt aus dem Binger Mascop-Plan (1577) mit dem noch unzerstörten Kloster RupertsbergAls sie um 1150 die Erlaubnis erhielt das Kloster Disibodenberg zu verlassen um ein eigenes Frauenkloster zu gründen, hatte eine so kluge Frau wie Hildegard den neuen Standort sicherlich mit Bedacht ausgewählt: den Rupertsberg.

In Hildegards Rupertus-Vita ist zu lesen, dass sie ihr Kloster auf geweihter Erde erbauen ließ. Zu dieser Zeit waren noch die Taufkapelle und das Grab von Pfalzgraf Rupert III. vorhanden. Nach heutigem Forschungsstand geht man davon aus, dass sich dort einst ein römisches Kastell erhoben hatte und später dort eine frühmittelalterliche Siedlung war, die ca. 150 Jahre vor Hildegards Klostergründung zerstört wurde.

Aber es gab auch mehrere, ganz handfeste Gründe, die für den Rupertsberg als Klosterstandort sprachen:

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Sicherlich waren der fruchtbare Boden des Binger Landes und das Weinbauklima, das die Versorgung des Klosters mit Nahrungsmitteln sicherte, gewichtige Gründe.

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Doch hier war auch einer der wichtigsten Verkehrsknotenpunkte seiner Zeit, denn die Überlandwege basierten hauptsächlich noch auf den Routen der Römerstraßen. Die Rupertsberger Straßenspinne kann man in ihrer damaligen Bedeutung mit dem heutigen Frankfurter Autobahnkreuz vergleichen.

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Weiterhin war es der Rhein mit seinem Binger Loch. Von beiden Seiten gut schiffbar, musste dort getreidelt werden. Die Ruine des Kloster Rupertsberg um 1770, Grafik von John GardnorSchiffe wurden entladen und mitsamt den Waren und Passagieren auf dem Rheinufer-Treidelpfad zur anderen Seite des Felsen gebracht. Dort wurde wieder beladen und das Schiff konnte seine Fahrt fortsetzen. Für Menschen und Ware bedeutete es einen Zwangsaufenthalt an Land.
Man kann sich lebhaft vorstellen, wie viele Neuigkeiten sich von dem Landgang der Schiffer und Passagiere aus vieler Herren Länder vom Binger Rheinufer aus verbreiteten. Hildegard war also wohl immer bestens informiert, was in der damals bekannten Welt passierte. Man kann annehmen, dass dieses Wissen für ihre Korrespondenz mit wichtigen Persönlichkeiten der Politik und der Kirche durchaus dienlich war.

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Ein weiterer Punkt ist die Nähe zur Ingelheimer Kaiserpfalz. Auch wenn der Kaiser dort nicht selbst weilte, so waren dort doch seine Ministerialen und sie war als Verwaltungsstützpunkt Anlaufpunkt für Reisende in Sachen Politik. Vom Sporn des Rupertsberges hat man zudem einen guten Blick in das Rheintal auf das Ingelheimer Rheinufer mit der Kaiserpfalz und weiter nach Mainz mit dem Sitz die bischöflichen Landesherren.

In der Villa Rupertsberg in Bingerbrück sind nun die Original-Klosterarkaden aus der Klosterkirche von Hildegard wieder sichtbar und das verschwundene Hildegard-Kloster zu neuem Leben erwacht. Mit Hilfe digitaler Technik kann man es mit allen Sinnen entdecken und mit dem „Fahrstuhl in die Vergangenheit“, ihr Kloster erleben und vom Turm der Klosterkirche sogar einen Blick auf das damalige Bingen werfen.

Geöffnet Montag, Mittwoch und Sonntag von 14 Uhr bis 17 Uhr. Im Mai ist der Eintritt frei.