Die jüdische Mädchenschule in Bingen

Im 19. Jahrhundert gab es in Bingen nicht nur die Mädchenschule bei der Basilika, sondern auch gleich zwei höhere Schulen. Weniger bekannt ist, dass es neben dem „Institut der Englischen Fräulein“ (Vorgängerin der Hildegardisschule) auch eine höhere jüdische Mädchenschule mit Pensionat (Internat) gab.

Postkarte mit einer Aufnahme der Rochusstraße um 1900. Sammlung Seyler.Diese wurde nicht nur von Töchtern jüdischer Bürgerfamilien besucht. So war ein Drittel ihrer Schülerinnen protestantischen Glaubens – während die Mädchen aus katholischen Familien in der Regel bei den „Englischen Fräuleins“ unterrichtet wurde.

Gegründet wurde sie 1874 von den Schwestern Emma und Pauline Sobernheim in der Gaustraße 17. 1897 entstand auf Initiative von Mary Herms aus der jüdischen Mädchenschule das überkonfessionelle „Institut Herms“.

Bereits 1898 gab es eine Petition von Binger Familien unterschiedlicher Konfessionen aus dem sogenannten Bildungsbürgertum für die Errichtung einer höheren Mädchenschule in städtischer Trägerschaft. In einer Gegeninitiative wurde bemängelt, dass dann ja aber alle Bürger für die Bildung einer kleineren Schar meist sogenannter höherer Töchter zahlen müssten und die Petition verlief im Sande.

Zur Jahrhundertwende gründete sich im Institut Herms nicht nur ein Schulverein, auch der Namen wurde in „Höhere Töchterschule“ geändert. „Der Schulverein wurde getragen von Kreisen des wohlhabenden, vor allem jüdischen und evangelischen Bürgertums und der höheren Beamten. Sein Vorsitzender war 1900 und in den Folgejahren C.A. Fischer.“, so Jürgen Krome im zweiten Band zur Binger Stadtgeschichte der Neuzeit. Im gleichen Jahr wurde das Haus in der Rochusstraße 8 (heute Caritas) als neues Schulgebäude erworben und am 16. Juli 1900 eingeweiht.

Der nationalliberale C. A. Fischer war ein wohlhabender Binger, der mit Stöck & Fischer eine Kohlenhandlung in Bingerbrück leitete. Die Telefonverbindung von seiner Wohnung in der Kapuzinerstraße zur Firma in Bingerbrück war 1889 die vermutlich erste Telefonleitung Bingens.

1916 wurde die „Höhere Töchterschule“ samt Gebäude von der Stadt übernommen und von nun an als Lyzeum bezeichnet.

Postkarte mit einer Aufnahme der Rochusstraße um 1900. Sammlung Seyler.