Bingen vor dem touristischen Rheinromantik-Boom

Das Bild zeigt eine schön kolorierte Kreide-Lithografie des französischen Malers und Lithografen Eugen Cicéri. Die Zeichnung muss vor 1856 entstanden sein, da die Eisenbahnbrücke noch nicht vorhanden ist. Gedruckt wurde sie erst einige Jahre später im Jahre 1864. Dass an einigen Stellen Proportionen bei der Darstellung verändert wurden, ist ganz typisch für die kunsthistorische Epoche der Romantik. Das gilt beispielsweise für den Turm der Burg Klopp, den Rupertsberg oder auch die Größe der Schiffsmühlen. 

Der Stich ist vor 1856 entstanden und zeigt den Blick auf die Stadt Bingen ohne Eisenbahnbrücke und vor der Aufschüttung des Rheinufers. Auch die Tabakfabrik Gräff am Naheufer ist unübersehbar.Der Vergleich zu heute zeigt, welche Entwicklung unsere Stadt seitdem genommen hat. Manche der uns heute vertrauten alten Gebäude fehlen noch. Für sie wurden einige der hier abgebildeten (noch älteren) Häuser abgerissen. Andere konnten entstehen, weil nach der Niederlegung der Stadtmauern neue Flächen zur Verfügung standen und sich beflügelt durch den aufkommenden Rheinromantik-Tourismus die Stadt stark ausbreiten konnte.

Markant sind die Basilika mit ihren beiden früheren Glockentürmen (von denen der linke durch einen schwarzen Fleck leider kaum sichtbar ist) und das große Gebäude der Gräff’schen Tabakfabrik an der Nahe. Der Turm von „Schloss Klopp“ ist bereits wieder aufgebaut, doch das neue Burggebäude fehlt noch. Über den Dächern der Häuser kann man den Glockenturm des Rathauses, den runden Turm des Amtshauses und den Löhrturm erkennen.  Die Allee mit den Bäumen markiert den Verlauf der Vorstadtstraße/Fruchtmarkt und endet an den kleinen Häusern des Gerberviertels.

Das Ufer ist noch schmal und der Teil zur Nahemündung hin wird als Bleichwiese genutzt, wie man unschwer an den ausgelegten weißen Wäschestücken erkennen kann.
Die Aufschüttung des Ufers, zum Beispiel für den Bau der Stadthalle, des heutigen Museums, der Marne-Kaserne und erst die Verbreiterung durch die Hindenburganlage erfolgte erst später.

Auf beiden Seiten der Nahemündung erkennt man jeweils ein Bauwerk, die vielleicht mit dem Bau der Eisenbahnbrücke über die Nahe in Verbindung stehen.

Vor der Nahemündung ankern zwei Schiffsmühlen, die auch Wohnung für den Müllerfamilie und ihre Gehilfen war.

Das Gebäude auf dem Rupertsberg ist ein Ökonomiegebäude, das den Jahrzehnten zuvor in den Ruinen von Kloster Rupertsberg entstanden ist. 

Zur Drususbrücke hin erkennt man das Euler’sche Haus der ehemaligen Lohe-Mühle, sowie die preußische Brücken-Grenzstation, denn die Nahe war damals Grenzfluss zwischen Rheinhessen, das zum Großherzogtum Darmstadt gehört und Preußen.

Mit dem Bau der Eisenbahn und dem großen Bahngelände „Binger Brücke“ entstand in den Folgejahrzehnten eine neue Siedlung auf dem Rupertsberg, die sich dann aber auf preußische Anordnung Bingerbrück nennen musste.