Vom Felsenriff zur Wasser-Autobahn

Der Text unseres Beitrags in der letzten Woche beschreibt anschaulich, warum die Verbreiterung der Fahrrinne und die Beherrschung des Gefälleunterschieds als große Ingenieurleistung galt und 1832 mit einem Denkmal gewürdigt wurde.

Binger Loch, um 1900Erste Versuche

Bereits die Römer und auch Karl der Große hatten versucht, eine Passage, ein „Loch“, in das quer im Fluss liegende Quarzit-Riff zu schlagen. Erst mit dem neu erfundenen Schießpulver gelang es im 14 Jh. eine Bresche zu sprengen, die 300 Jahre später auf eine Sohlenvertiefung von vier Meter Breite und bis zu 14 Metern an der Wasserlinie vergrößert wurde, damit auch die großen Flöße das Binger Loch passieren konnten.
Diese Maßnahme hatte gravierende Auswirkungen, denn bislang hatte das Riff das Wasser aufgestaut und der Wasserstand auf der Ostseite des Riffs (rheinaufwärts) war deutlich höher als auf der Talseite (rheinabwärts).

Im Dezember 1962 wurde mit einem Modellschiff die Befahrbarkeit des Binger Loches getestStärkere Strömung bis nach Mainz

Mit der Verbreiterung verstärkte sich die Strömung und der vorher durch das Riff aufgestaute Wasserspiegel in Richtung Mainz sank deutlich.
So wurden viele der ehemals 32 Rheininseln weggespült, einige andere verlandeten. Nur noch 6 Stück sind erhalten geblieben!
Und in Mainz sank der Grundwasserspiegel so stark, dass angeblich die 20.000 Eichenpfähle, auf denen der Dom ruhte, verfaulten. 1909 bis 1928 mussten sie durch ein steinernes Fundament ersetzt werden.

Die beiden Fahrrinnen am Binger Loch, ca. 1970Das Binger Loch wird breiter

1841 hatte man die Fahrrinne auf 14 Meter verbreitert. Ab 1867 stand am linken Rheinufer eine zweite Fahrrinne für die Talfahrt zur Verfügung. 1894 war die Hauptrinne bereits auf 30 Meter verbreitert und bis 1967 eine Durchfahrt von 120 Meter geschaffen worden.

Die Binger-Loch-Lotsen

In all diesen Jahrzehnten waren es die Binger-Loch-Lotsen, die mit ihrer Ortskenntnis und Erfahrung die Schiffe durch die gefährliche Passage steuerten, unterstützt von Signalen, die an Stangen aus dem Binger Mäuseturm herausgehängt wurden.

Mit dem weiteren Ausbau, der stetigen Fahrrinnen-Vertiefung und dem in den 1990er Jahren gebauten steinernen Leitwerk, hat das Binger Loch seinen Schrecken verloren und kann nun von mehreren Schiffen gleichzeitig passiert werden. Das linke Talfahrt-Fahrwasser wurde geschlossen.
Der Rhein in seiner heutigen guten Befahrbarkeit wird inzwischen gerne als „Wasser-Autobahn“ bezeichnet.

Weiterführendes zum Binger Loch vom Stadtarchiv Bingen

Das Binger Loch (Archivalien erzählen Geschichte(n))

Das Binger-Loch-Denkmal (#ArchivDingsTag, 11.01.22)

Das Binger Leitwerk im Rhein im Oktober 1999